Vaterzeit

17. Oktober 2009

VaterzeitNun ist sie herum, meine Elternzeit. Von den ersten sechs Lebensmonaten meiner kleinen Tochter war ich viereinhalb zuhause. Ein großartiger gemeinsamer Babysommer. Mit dem Herbsteinbruch in Berlin geht er zu Ende und  ich arbeite wieder (an neuer Stelle). Um die Tochter kümmert sich nun unter der Woche tagsüber meine Frau allein. Wir haben uns vorgenommen, dass sie mir jeden Vormittag einen Webcam-Schnappschuss ins Büro mailt.

Gemeinsam Elternzeit nehmen zu können, das war uns die ganze Zeit über bewusst, ist ein ziemlicher Luxus. Der Zeitraum, für den insgesamt Elterngeld zur Verfügung steht, wird dadurch kürzer – wenn meine Frau noch etwas länger zuhause bleiben will, muss bald schon ein Einkommen reichen. Wir haben reiflich überlegt, ob wir uns das leisten wollen – und heute bin ich sehr froh darüber.

Natürlich muss so ein Baby in seinen ersten Lebensmonaten nicht beide Eltern in Vollzeit um sich haben. Aber: doch, es hat etwas davon. Wir konnten uns in Ruhe aneinander gewöhnen und daran, nun Familie zu sein. Wir hatten zunächst einmal keinen Streß damit, die Anforderungen des Berufs und das völlig neue Leben mit Kind unter einen Hut zu bringen. Wir konnten das neue Leben ganz gelassen üben, ausprobieren und genießen. Weder meine Frau noch ich mussten IMMER für das Kind da sein, sie und ich hatten Luft für unsere eigenen Bedürfnisse. Sie konnte mal in Ruhe etwas Sport machen gehen, ich mich um meine berufliche Neuorientierung kümmern. Wir beide zusammen hatten Zeit, auch mal einen Werktag zu dritt am Badesee zu verbringen oder in Ruhe die frisch gebackenen Großeltern zu besuchen.

Klingt nach nichts Besonderem? Mag sein. Aber es hat jene entspannte Atmosphäre daheim hergestellt, in der auch unser Baby sich anscheinend von Beginn an wohl gefühlt hat. Sich ohne Probleme stillen ließ, von Beginn an ein ausgeglichenes, fröhliches, in sich ruhendes Wesen war. Und bis zu seiner ersten Erkältung immer kerngesund.

Klar, vielleicht wäre es auch so gekommen, wenn ich gearbeitet hätte. Aber eins ist sicher: Ich wäre dann ein anderer Vater. Nicht per se ein schlechterer – aber ich hätte einige hundert Windeln, einige zig Male Toben, Schmusen und Vorsingen Rückstand. Ich wüsste nicht, wieviel Spaß PEKiP macht, wie man in der Kinderarztpraxis seine Nerven behält und welche Cafés am Prenzlauer Berg die kinderfreundlichsten sind. Ganz abgesehen vom Wissen, was welches Weinen bedeutet, wie man ein Kind in den Ergo-Carrier oder ein Tragetuch bugsiert und wie man Pickelchen auf dem Babypopo behandelt.

Auch wenn man gelegentlich noch dafür angestaunt wird: Dass sich Väter genauso wie Mütter freie Zeit für ihre Kinder nehmen, wird zunehmend selbstverständlich – und das ist auch gut so. Nicht jeder Vater wird dazu Gelegenheit haben, aber immer mehr werden es sich nicht nehmen lassen wollen. Und wenn es nur die zwei „Vätermonate“ sind, die das Elterngeldgesetz nahelegt. Ich kann es nur weiterempfehlen.

Das echte Wagnis ist es natürlich, als Vater frei zu nehmen, während die Mutter arbeiten geht. Bei uns kam es, zumindest bei diesem Kind, aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Freunde von mir haben es getan, und sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Und, wie die Medienleute so sind, gleich ein Buch dazu geschrieben, dass ich wärmstens weiterempfehle: Wir Wickelprofis, erschienen bei Heyne.